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Jessica Döll

Jessica Döll, Jahrgang 1983, geboren und aufgewachsen in Bad Hersfeld, Ausbildung in der Altenpflege, seit 2007 in Kassel, seit 2009 im Seniorenzentrum Jungfernkopf des DRK, Pflegedienstleiterin, verheiratet, ein Kind.

Ich bin vor kurzem im Seniorenzentrum am Jungfernkopf gewesen – der Besuch hat mich sehr beeindruckt. Aber es scheint einen relativ hohen Anteil an dementen Bewohnern zu geben, täuscht der Eindruck?

Das kann man schwer in Zahlen sagen, ich habe da auch keine Statistiken. Aber ich schätze mal, dass sich der Anteil bei 50 bis 60 Prozent bewegt. Und der Anteil ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

Hat die Zunahme an demenzerkrankten Bewohnern Auswirkungen auf die tägliche Arbeit?

Wir mussten unsere Abläufe anpassen, das Personal wurde geschult, es gibt Teamsitzungen, Fallbesprechungen – wir haben uns gut darauf eingestellt. 

Ich stelle mir vor, dass man zu den Bewohnern ein sehr persönliches Verhältnis entwickelt und weil das Seniorenheim für viele die letzte Station im Leben ist, müssen Sie auch mit dem Tod umgehen können, oder?

In der Situation einer Sterbebegleitung ist es uns wichtig Nähe zuzulassen. Gleichzeitig ist es notwendig einen gewissen Abstand zu wahren, der es möglich macht tragend aber auch manchmal deeskalierend wirken zu können. Natürlich entwickelt man eine Beziehung zueinander. Und es trifft einen, wenn einer der Bewohner stirbt, aber wir wissen natürlich auch, dass das in fast allen Fällen passieren wird. Zu den Bewohnern, deren Angehörigen und auch im Team des Seniorenzentrums suchen wir das regelmäßige Gespräch um einen offenen Umgang mit dem Tod zu pflegen.

Nun steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung – bedeutet ja wahrscheinlich auch, dass Ihre Patienten im Schnitt älter werden.

Stimmt. Früher war es eher die Ausnahme, dass Bewohner über 90 waren – heute ist das anders, manche kommen auch erste, wenn sie längst die 90 überschritten haben.

So ein Zusammenleben in einem Heim – das kann ja auch mal problematisch sein. Gibt es Streit?

Das ist wie in einer Familie, natürlich gibt es auch mal Krach. Manchmal auch ein böses Wort. So ist das bei zwischenmenschlichen Beziehungen.

Zwischenmenschlich – den Begriff greife ich gern auf. Kann ja auch bedeuten, dass im Heim jemand die späte Liebe seines Lebens findet.

Ja, das ist so. Wir haben derzeit sogar ein Pärchen, das sich bei uns gefunden hat.

Wieso haben Sie eigentlich diesen Beruf ergriffen?

Das war eigentlich Zufall. Ich wollte was in Richtung Soziales oder Gesundheit machen. Physiotherapeutin war mein Ziel – aber die Ausbildung war nicht finanzierbar. Dann habe ich ein Praktikum in einem Altenheim gemacht und gemerkt: Das ist es, den Beruf will ich ergreifen.

Bei der täglichen Arbeit sieht man ja auch viel Elend. Was nimmt man davon mit nach Hause?

So wenig wie möglich. Natürlich gibt es Situationen, die beschäftigen einen länger. Aber das ist ja auch gut so, weil das ja auch zeigt, dass man diesen Beruf engagiert ausübt. Wenn man alles nur distanziert erlebt – dann sollte man darüber nachdenken, ob man in dem Job richtig ist.

In der Pflege herrscht Personalnot, heißt es. Spüren Sie das?

Zum Glück nicht, wir sind bestens aufgestellt, haben keine Engpässe. 

Gibt einen Wunsch, den Sie mit Blick auf Ihren Beruf haben?

Eigentlich nur den, dass man aufhören sollte, die Pflegeberufe schlecht zu reden. Es ist ein schwerer Beruf, der aber Spaß macht. Da sollte man vor allem jungen Leuten vermitteln und Interesse an einem solchen Beruf wecken.


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