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Anke Licht

Anke Licht, Jahrgang 1963, geboren in Ostwestfalen-Lippe in der Stadt Bad Pyrmont, Ausbildung zur Krankenschwester, lebt seit 29 Jahren in Kassel und arbeitet seit 9 Jahren als Krankenschwester und Fachkraft für Palliative Care im Team Königstor, verheiratet, 3 erwachsene Kinder und 2 Enkelkinder.

Ihre Arbeit im Palliative-Care-Team hat stets mit Abschiednehmen zu tun. Ist das eine belastende Arbeit?

Ja klar, die Arbeit mit schwerkranken Menschen ist auch belastend aber eben nicht nur. Ich arbeite nun schon so viele Jahre in der Palliativversorgung und das könnte ich gar nicht machen, wenn es nicht auch viele positive Erlebnisse gäbe. 

Viele Patienten sind sehr dankbar, einfach, weil sie zu Hause sein können. Wir geben ihnen die Sicherheit, dass eine Versorgung zu Hause bis zum Schluss möglich ist. Und wenn ich sehe, dass Patienten noch mal eine gute Zeit ohne Schmerzen haben, dann freue ich mich. 

Ich stelle mir vor, dass sie nach Hause gehen und dann die ganz alltäglichen Dinge gemacht werden müssen, wie z. B. Einkaufen. Gibt es Rituale, um zwischen Palliativversorgung und Privatperson eine Trennlinie zu ziehen?

Nein, kein bestimmtes Ritual aber ich fahre zum Beispiel mit dem Fahrrad zur Arbeit. Das hilft mir sehr, um abzuschalten. Aber auch mein Mann und eine gute Freundin von mir, die auch im Bereich der Palliativpflege arbeitet, helfen mir manchmal und natürlich das Team. Wir tauschen uns im Team aus und achten aufeinander. Im Team erfahre ich viel Unterstützung, Verständnis und Rückhalt.

Nimmt man die Geschichten und Schicksale nicht doch auch mit nach Hause?

Ja, das kommt vor. Bei Patienten, die älter sind und ihr Leben gelebt haben, kann ich das Sterben akzeptieren. Wenn aber ein Elternteil von jungen Kindern erkrankt, dann ist das natürlich sehr belastend und das nehme ich dann auch schon mal mit nach Hause. 

Häufig entsteht zwischen uns und den Patienten sehr schnell eine sehr persönliche Verbindung. Wir erfahren viel von den Menschen und manchmal ist das, was wir da erfahren einfach zu viel Schicksal für ein Leben. Das berührt mich dann auch über Dienstende hinaus.

Was ist konkret ihre Aufgabe im Palliative-Care-Team?

Der erste Kontakt mit einem Patienten entsteht beim Aufnahmegespräch. Zusammen mit einem Arzt oder einer Ärztin besuche ich den Patienten zuhause. Wir erfragen was die Menschen brauchen und was sie von uns erwarten und klären dann, was wir konkret tun können und wie Symptome behandelt werden können. Patienten, die bereits aufgenommen wurden, besuchen wir im Schnitt ein- bis zweimal pro Woche. Neben allen medizinischen und pflegerischen Aspekten geht es dann darum ganz konkret zu prüfen, wie geht es dem Patienten, wie klappt die Versorgung zuhause. Und ganz wichtig: Gibt es Gesprächsbedarf, Fragen oder auch Sorgen, die wir gemeinsam klären können. Auch die Angehörigen spielen dabei eine große Rolle. Mein Blick fällt auch immer wieder dahin. Denn Angehörige gehen ganz häufig über ihre Grenzen und wir müssen sie stärken und helfen Freiräume für sich zu schaffen.

Was muss man für besondere Eigenschaften mitbringen, um langfristig gute Arbeit in der ambulanten Palliativversorgung machen zu können?

Man braucht ein hohes Einfühlungsvermögen und sollte Ruhe ausstrahlen, um Sicherheit zu vermitteln. Und natürlich darf man keine Angst haben über das Thema Tod zu sprechen. 

Über die Jahre habe ich festgestellt, wie wichtig Toleranz und Respekt sind. Ich musste lernen, dass jemand anders denkt, anders lebt und mit dem Thema Tod anders umgeht, als ich. Ich glaube wir haben im Palli-Team da insgesamt eine Entwicklung gemacht. Früher dachten wir es wäre für alle Menschen das Beste über den Tod zu sprechen. Heute tragen wir es mit, wenn die Patienten oder auch die Angehörigen ein Sprechen über die Krankheit oder den Tod ablehnen. Wir akzeptieren einfach, dass Menschen ganz unterschiedlich sind. Das macht für mich auch einen besonderen Reiz meiner Arbeit aus. Ich hatte schon sehr faszinierende Begegnungen- einfach, weil der Mensch mir gegenüber anders war als ich selbst.

Sie arbeiten mit Klangschalen. Was ist das Besondere an einer Klangschalenbehandlung?

Das ist ein Angebot außerhalb von Medizin und Tabletten – einfach ein Angebot zur Entspannung. Das ist für Patienten gedacht aber auch Angehörige setzen sich manchmal dazu und genießen einen Moment der Ruhe. Dieses Angebot ist nicht für jeden geeignet. Aber auch hier gilt: Menschen sich ganz verschieden. Ich hatte schon mal eine Musikerin in Behandlung und obwohl es hier eine Affinität zu Klängen gibt, hat ihr das nicht gefallen. Und auf der anderen Seite hat mich ein älterer Herr, bei dem ich niemals darauf gekommen wäre, dass er eine Klangschalenbehandlung wünscht, angesprochen. In der Folge hat er die Behandlung dann stets gemeinsam mit seiner Frau genossen.

In meiner Vorstellung ist das Thema Palliativversorgung mit Traurigkeit verbunden. Gibt es am Ende des Lebens auch so etwas wie Lebensfreude?

Aber ja! Man macht auch Scherze – natürlich. Sie erzählen vom Leben, den Kindern, schönen Erlebnissen und Erfahrungen. Es ist nicht immer alles nur traurig.

Gehen Sie auf die Beerdigungen ihrer Patienten?

Nein, das machen wir nicht. Wir haben im Schnitt 30 Patienten zu versorgen und es gibt Wochen da versterben viele unserer Patienten. Aber klar zu manchen habe ich ein enges Verhältnis entwickelt und dann bin ich manchmal dankbar, wenn sie in meinem Dienst versterben. Ich kann dann einfach Abschied nehmen.

Verabschieden Sie sich jeden Tag von ihren Patienten so, als wäre ihr Besuch der letzte Besuch?

Ich habe über die Jahre viel Erfahrung gesammelt und kann Situationen gut einschätzen. Aber ja, es gibt auch Situationen da ahnt man, dass es der letzte Besuch war. So hatte ich eine Patientin, die sehr offen mit Tod und Sterben umgehen konnte. Ich habe mich nach einem Hausbesuch mit den Worten "Wir sehen uns dann am Freitag" verabschiedet. Als ich ihren Blick sah, lag darin ein Abschiednehmen. So war es dann auch. Sie hatte sich von mir verabschiedet.


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